Das Finanzgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 19. November 2015 entschieden, dass die sogenannte Entstrickungsklausel in § 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG europarechtlich und verfassungsrechtlich unbedenklich ist. 

Was bedeutet Entstrickung im Steuerrecht?

Bei der Entstrickung geht es um die vorgezogene Besteuerung stiller Reserven, die ansonsten der inländischen Steuerhoheit entzogen würden. Im internationalen Steuerrecht wird dabei zwischen der persönlichen und der sachlichen Steuerentstrickung unterschieden. Der Tatbestand der sachlichen Entstrickung ist erfüllt, wenn Wirtschaftsgüter, an deren stillen Reserven Deutschland das Besteuerungsrecht besitzt, in eine ausländische Betriebsstätte überführt werden und sie dadurch der deutschen Besteuerung entzogen werden. In diesem Fall müssen die stillen Reserven eines Wirtschaftsgutes aufgedeckt und besteuert werden. Um eine Sofortversteuerung des Entstrickungsgewinns zu vermeiden, erlaubt der deutsche Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen mit dem § 4g EStG die Bildung eines Ausgleichspostens, der gem. § 4g Abs. 2 Satz 1 EStG im Wirtschaftsjahr und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren aufgelöst werden muss.

Der Sachverhalt:

Auslöser für den Streitfall war die Verder LabTec GmbH & Co. KG – eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, die im Jahr 2005 ihre Wirtschaftsgüter in eine niederländische Betriebsstätte überführte, indem sie die eigenen Patent-, Marken- und Geschmacksmusterrechte auf diese übertrug. Nach einer Betriebsprüfung war das Finanzamt der Ansicht, dass die Überführung der Rechte unter Aufdeckung der stillen Reserven von 4,7 Mio. Euro erfolgen müsse, welche sodann der Besteuerung unterworfen werden sollten. Die Bewertung der stillen Reserven erfolgte zum Fremdvergleichspreis. Aus Billigkeitsgründen gewährte das Finanzamt jedoch die Bildung eines korrespondierenden Ausgleichspostens, der über einen Zeitraum von zehn Jahren gewinnerhöhend aufzulösen sei. Dagegen klagte das Unternehmen. Als Begründung führte die Verder LabTec KG die Unverhältnismäßigkeit der zeitlich vorgezogenen Aufdeckung der stillen Reserven gegenüber einer Besteuerung im Realisierungszeitpunkt an und berief sich zudem darauf, dass die Anwendung der gesetzlichen Neuregelungen gegen die verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung verstoße.

EuGH billigt Entstrickungsklausel

Die Entstrickungsklausel führt zu einer Ungleichbehandlung zwischen der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern und der Überführung innerhalb des nationalen Hoheitsgebiets. Aus diesem Grund hatte das FG Düsseldorf Zweifel, ob die deutsche Regelung mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist und legte diese Frage zur Vorabentscheidung dem EuGH vor. Dieser entschied in einem Urteil vom 21.05.2015, dass die Entstrickungsbesteuerung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte mit dem EU-Recht vereinbar ist. Zwar sah er durch die deutsche Entstrickungsbesteuerung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG tatsächlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gegeben, allerdings hielt der EuGH die Regelung aus Gründen des Allgemeininteresses für objektiv gerechtfertigt und somit unionsrechtskonform. Als Begründung führt der EuGH an, dass die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten ein anerkanntes legitimes Ziel sei und dass die Mitgliedstaaten aufgrund fehlender unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen das Recht haben, zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen. Zudem entschied der EuGH, dass auch die Verhältnismäßigkeit der Vorschrift gewahrt ist, weil der Steuerpflichtige die Wahl zwischen sofortiger Besteuerung und einem Aufschub der Steuerzahlung hat. Die in dem Fall Verder LabTec GmbH & Co. KG aufgeschobene Steuerzahlung über einen Zehnjahreszeitraum ging sogar über das hinaus, was der EuGH in einer vorangegangenen Entscheidung als verhältnismäßig erachtete.

FG Düsseldorf weist Klage ab

Unter Zugrundelegung der Vorabentscheidung des EuGH wies das FG die Klage der Gesellschaft ab. Auch in Bezug auf die Rückwirkung hat das FG keine Bedenken. Die Rückwirkung der Entstrickungsbesteuerung für Jahre vor 2006 sieht das FG Düsseldorf als verfassungsgemäß an. Somit verstoße die Anwendung der Entstrickungsklausel im Streitjahr 2005 nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Die Rechtmäßigkeit der Rückwirkung begründete es damit, dass mit dem Entstrickungsparagraphen nur eine früher gültige Rechtsprechung festgeschrieben wurde und es infolgedessen keinen Grund gab, dass sich bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine abweichende Rechtslage entwickelte.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.