Der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen (AIA) ist ein internationaler Standard, der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelt wurde. Weltweit haben sich fast 100 Staaten zur Umsetzung dieses globalen Standards verpflichtet. Auch die Schweiz hat sich zur Übernahme dieses Standards bekannt und beteiligt sich damit aktiv am Kampf gegen grenzüberschreitenden Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Mit dem Entwurf der AIA-Verordnung unternimmt die Schweiz einen weiteren Schritt zur Einführung des AIA. Am 18.05.2016 hat der Schweizer Bundesrat die sogenannte Vernehmlassung zum Entwurf der Verordnung über den internationalen automatischen Informationsaustausch eröffnet. Das Vernehmlassungsverfahren ist eine Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren, bei dem Kantone, politische Parteien und verschiedene Interessengruppen (beispielsweise Dachverbände der Wirtschaft) Stellung zum Gesetzesentwurf nehmen können. Das Vernehmlassungsverfahren endet am 9. September 2016.
Bundesrat treibt Umsetzung des AIA weiter voran
Bereits im Dezember 2015 hat das Schweizer Parlament relevante Gesetzesvorlagen über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA-Gesetz) verabschiedet, welche die Umsetzung des AIA-Standards regeln. Die AIA-Verordnung ist nun eine Erweiterung des bereits bestehenden Schweizer AIA-Gesetzes und regelt weitere wichtige Einzelheiten zur Umsetzung des automatischen Informationsaustausches in der Schweiz. Der Beginn der Vernehmlassung ist demzufolge ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der globalen Standards. Unter anderem benennt die AIA-Verordnung weitere Finanzinstitute und Konten, die keine Informationen melden müssen, und regelt Details bezüglich der Melde- und Sorgfaltspflichten der schweizerischen Finanzinstitute. Ab Januar 2017 soll die Verordnung dann gemeinsam mit den anderen rechtlichen Grundlagen für den AIA in Kraft treten, sodass ab 2017 Daten gesammelt werden können. Voraussichtlich ab 2018 wird die Schweiz dann mit anderen Ländern die gesammelten Daten aus dem Jahr 2017 austauschen.
Wichtige Kernpunkte der AIA-Verordnung
Ausgenommene Konten und Finanzinstitute
In der AIA-Verordnung ist unter anderem festgelegt, welche Finanzinstitute vom Informationsaustausch ausgenommen sind und demzufolge keine Meldung an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) abgeben müssen. Dazu gehören beispielsweise vertragliche Anlagefonds nach den Artikeln 25–35 des Kollektivanlagengesetzes, Investmentgesellschaften mit variablem Kapital, Einrichtungen der anerkannten Vorsorgeformen nach Artikel 82 BVG und Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen. Entsprechend der AIA-Verordnung gelten auch Vermögensverwalter als nicht meldende Finanzinstitute, wenn sie ausschließlich gestützt auf eine Vollmacht eines Kunden Vermögen verwalten, das sich im Namen des Kunden bei einem Finanzinstitut im In- oder Ausland befindet. Da in solchen Fällen bereits die kontoführende Bank eine Meldung abgibt, wäre eine zusätzliche Meldung durch den Vermögensverwalter überflüssig. Neben den ausgenommenen Finanzinstituten sind in der Verordnung auch Konten aufgeführt, die aufgrund eines geringen Steuerhinterziehungsrisikos von der Meldung ausgenommen sind. Bereits im AIA-Gesetz wurde festgelegt, dass Konten wie Mietzinskautionskonten nicht der Meldepflicht unterliegen. Mit der AIA-Verordnung gelten zukünftig auch Einlagen- und Verwahrkonten von in der Schweiz zugelassenen Anwälten und Notaren, Kapitaleinzahlungskonten und Konten von Vereinen, die keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen, als ausgenommene Konten.
Präzisierung der Melde- und Sorgfaltspflichten
Ein weiterer Regelbestandteil der AIA-Verordnung ist eine Präzisierung der Melde- und Sorgfaltspflichten der Banken und Institute. Beispielsweise finden sich in der Verordnung diesbezüglich Regelungen für die Eröffnung von Neukonten. Das AIA-Gesetz legt fest, dass meldepflichtige Konten gesperrt werden müssen, wenn dem Finanzinstitut 90 Tagen nach Kontoeröffnung die TIN (Steueridentifikationsnummer) des Kontoinhabers nicht vorliegt. Art. 21 der Verordnung präzisiert diese Regelung weiter, sodass trotz fehlender TIN ein Neukonto nicht gesperrt werden muss. Das Finanzinstitut muss aber bis zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres nach Kontoeröffnung angemessene Anstrengungen unternehmen, um die TIN später noch zu erhalten. Des Weiteren enthält die AIA-Verordnung Bestimmungen, die die Erfüllung der Melde- und Sorgfaltspflichten von Finanzinstituten erleichtern sollen, sowie Ausführungsbestimmungen zu den Aufgaben der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV). Beispielsweise regelt die Verordnung die Dauer der Aufbewahrung von Daten. Gemäß der AIA-Verordnung muss die Steuerverwaltung Daten spätestens 20 Jahre nach Erhalt vernichten.
Umsetzung der AIA in der Schweiz als wichtiger Schritt für mehr Steuergerechtigkeit
Der AIA ist ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen die weltumspannende Steuerhinterziehung. Durch den jährlichen zwischen den teilnehmenden Ländern stattfindenden automatischen Austausch aller relevanten Daten – wie Kontostände, Zinsen, Kontonummern sowie Namen, Anschriften und Geburtsdaten der Kontoinhaber – werden es Steuerhinterzieher künftig schwer haben, ihr Geld vor den Behörden zu verstecken. Die Übernahme der AIA Standards in der Schweiz ist dabei von besonderer Bedeutung, denn die Schweiz ist eine der wichtigsten Steueroasen der Welt und ein Viertel der weltweit grenzüberschreitend angelegten Vermögen wird hier verwaltet. Demzufolge wird die Einführung der AIA in der Schweiz für zahlreiche Betroffene große Folgen und auch Kosten mit sich ziehen.