Mitte Mai 2014 verabschiedete der EU-Ministerrat die Verordnung (EU) Nr. 655/2014 zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung (EuBvKpf). Damit soll Gläubigern die grenzüberschreitende Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen erleichtert werden. Entsprechend dem englischen Titel der Verordnung „European Account Preservation Order“ wird die Verordnung teilweise auch mit EAPO-Verordnung abgekürzt. Die Verordnung gilt ab Januar 2017 in allen EU-Mitgliedsstaaten – mit Ausnahme von dem Vereinigten Königreich und Dänemark.
Vereinfachung grenzüberschreitender Beitreibungen durch Beschluss zur Kontenpfändung
Uneinbringliche Forderungen verursachen bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen hohe Einbußen. Mehrere Millionen Euro müssen Firmen jährlich abschreiben, weil sie sich vor kostspieligen und undurchsichtigen Rechtsstreitigkeiten in anderen Ländern scheuen. Aber auch Privatpersonen wie Verkäufer im Internet verzichten häufig auf das Eintreiben grenzüberschreitender Forderungen, weil ihnen Anwalts- und Übersetzungskosten zu hoch sind und sie sich nur ungern auf undurchsichtige Verfahren einlassen wollen. Der Beschluss zur Kontopfändung soll diesbezüglich Abhilfe schaffen. Zum einen soll das europa-einheitliche Verfahren die Hemmschwelle zur Rechtsverfolgung senken, zum anderen soll der Beschluss dem Gläubiger die Sicherheit geben, dass er seine Forderungen später auch wirklich erhält.
Höhere Erfolgschancen bei grenzüberschreitenden Forderungsbeitreibungen
Um der Eintreibung der von ihnen geschuldeten Geldbeträge zu entgehen, überweisen viele zahlungsunwillige Schuldner während des Verfahrens ihre Vermögensmittel auf Konten in anderen Mitgliedsstaaten. Dadurch wird oftmals die spätere Vollstreckung wesentlich erschwert und Gläubiger können ihre Forderungen erst viel später durchsetzen. Im schlimmsten Fall führt dieses Verhalten der Schuldner sogar dazu, dass die Vollstreckung komplett vereitelt wird. Doch mit dem Beschluss zur Kontenpfändung erhalten die Gläubiger ein Werkzeug, um ihre Forderungen durch vorläufige Pfändung zu sichern. Durch einen erwirkten Kontopfändungsbeschluss wird verhindert, dass der Schuldner Gelder von seinem Bankkonto innerhalb der EU abheben oder auf ein anderes Konto überweisen kann. Der Schuldner wird dabei vor der Kontopfändung weder informiert noch angehört, sodass er keine Möglichkeit hat, das Geld noch kurzfristig beiseitezuschaffen. Mit dieser Verordnung sollen die Chancen auf eine erfolgreiche Eintreibung von Forderungen im Ausland erhöht werden. Allerdings handelt es sich dabei nur um eine Sicherungsmaßnahme, die zwar die Sperrung des Schuldnerkontos bewirkt, nicht aber zur Auszahlung der Schulden führt. Um im Anschluss tatsächlich an das Geld zu kommen, muss der Gläubiger entweder bei den nationalen Gerichten oder durch ein vereinfachtes europäisches Verfahren eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung erwirken.
Bedingungen für die Anwendung des Europäischen Kontopfändungsbeschlusses
Das Mittel der vorläufigen Kontopfändung zur Sicherung bereits fälliger Forderungen kann sowohl von natürlichen als auch von juristischen Personen eingesetzt werden. Um den Beschluss zur Kontopfändung zu erwirken, muss der Gläubiger dem Gericht nachweisen, dass die Forderung besteht und dass ohne diese Sicherungsmaßnahme das Risiko besteht, dass die spätere Vollstreckung unmöglich oder erheblich erschwert werden würde. Allerdings lässt sich die Verordnung nicht auf Insolvenzverfahren, Ansprüche aus den Systemen der sozialen Sicherheit, Schiedssprüche, Nachlass- und Erbforderungen, eheliche oder vergleichbare Güterstände anwenden. Darüber hinaus soll der Pfändungsbeschluss nur in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug zum Einsatz kommen. Eine grenzüberschreitende Geldforderung liegt nur dann vor, wenn sich der Sitz des Gerichts, bei dem der EuBvKpf beantragt wird, und das von dem Beschluss betroffene Bankkonto oder der Wohnsitz des Gläubigers in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befinden.
Nationale Systeme zur vorläufigen Kontopfändung bleiben weiterhin erhalten
Die EAPO-Verordnung ist lediglich eine Ergänzung zu den nationalen Sicherungs- und Beitreibungsmaßnahmen. Die nationalen Systeme zur vorläufigen Pfändung von Guthaben bleiben weiterhin bestehen. Ein großer Nachteil dieser nationalen Sicherungsmaßnahmen besteht allerdings darin, dass sie sich in den Bedingungen zum Erlangen der Beschlüsse und der Effizienz ihrer Ausführung stark voneinander unterscheiden. Besonders, wenn ein Gläubiger Konten in mehreren Mitgliedsstaaten pfänden lassen will, kann die Anwendung nationaler Sicherungsmaßnahmen in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug sehr aufwendig und kompliziert sein. Doch dank dem Beschluss zur Kontenpfändung haben Gläubiger in allen EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, unter denselben Bedingungen Beschlüsse zu erwirken, um Bankkonten vorläufig zu pfänden oder sperren zu lassen. Die Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung wird somit einfacher und schneller möglich. Viehbacher Rechtsanwälte Steuerberater ist spezialisiert auf die internationale Forderungsbeitreibung. Weitere interessante Informationen zu diesem Thema lesen Sie hier.