Mit Urteil vom 17.12.2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht einige Paragrafen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes als verfassungswidrig und verlangte vom Gesetzgeber bis Ende Juni 2016 eine Reform der Erbschaftsteuer.

Die Frist für die erzwungene Neuregelung der Erbschaftsteuer ist inzwischen abgelaufen, aber ein Ende des Gesetzgebungsverfahrens ist noch nicht in Sicht. Zwar wurde vom Bundestag eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer gerade noch rechtzeitig am 24.06.16 beschlossen, jedoch lehnte der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzeswurf ab. Besonders die von SPD, Grünen und Linken regierten Länder waren gegen die geplanten Neuregelungen. Nach ihrer Meinung waren in dem neuen Gesetzentwurf nach wie vor die Steuerprivilegien für Erben von Betriebsvermögen zu großzügig und teilweise verfassungswidrig. Nun wird der Vermittlungsausschuss versuchen, eine möglichst schnelle Einigung mit dem Bundestag zu erzielen. Aufgrund der politischen Sommerpause könnte sich der Gesetzgebungsprozess dennoch bis zum Herbst verzögern.

Hintergrund: Verfassungswidrige Privilegierung von Firmenerben erfordert Neuregelungen

Bisher waren Firmenerben bei der Erbschaftsteuer gegenüber Erben von Privatvermögen stark privilegiert. Wer privat Vermögen erbt, muss eine hohe Erbschaftssteuer zahlen. Hingegen wird die Übertragung von Betrieben bei der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer stark begünstigt. Erben von Unternehmen kommen derzeit unabhängig vom Unternehmenswert fast ohne Steuerbelastung davon und werden bei der Erbschaftsteuer zu 85 Prozent oder sogar 100 Prozent verschont, wenn sie als Nachfolger das Unternehmen fünf beziehungsweise sieben Jahre weiterführen. Durch diese besonderen Bestimmungen für die Besteuerung von Betriebsvermögen sollen kleine und mittlere Unternehmen geschützt und Arbeitsplätze gesichert werden. Allerdings verstößt diese Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes. Aus diesem Grund verlangte das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber bis Ende Juni 2016 eine Neuregelung. Dabei stand es dem Gesetzgeber frei, entweder nur die beanstandeten Punkte zu korrigieren oder die Erbschaftsteuer völlig neu zu strukturieren. Nachdem sich die Große Koalition nun knapp vor Fristablauf endlich auf ein gemeinsames Konzept zur Reform der Erbschaftsteuer einigen konnte, scheitert die endgültige Durchsetzung der Reform vorerst am Bundesrat.

Wesentliche Änderungen der vorgeschlagenen Erbschaftsteuerreform 2016

UMit dem Gesetzentwurf soll das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden. Die vorgeschlagene Neuregelung betrifft dabei ausschließlich die Befreiung von der Erbschaftsteuer bei der Übergabe von betrieblichem Vermögen (sogenannte Verschonungsregeln). Folgende Änderungen ergeben sich bei der Besteuerung von Betriebsvermögen:

Größere bürokratische Hürden für Steuerbefreiungen

Gemäß der vom Bundestag gebilligten Neufassung müssen Firmenerben von kleinen Unternehmen auch künftig keine Erbschaftssteuer zahlen, wenn die Arbeitsplätze erhalten bleiben und der Betrieb fünf beziehungsweise sieben Jahre fortgeführt wird oder wenn sie nachweisen können, dass eine Steuerzahlung die Existenz des Unternehmens gefährden würde. Allerdings würden mit dem neuen Gesetz strengere Vorgaben für erbschaftsteuerliche Befreiungen als vorher gelten. Während bisher Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern keinen Nachweis für den Arbeitsplatzerhalt erbringen mussten, sind laut aktuellem Gesetzentwurf künftig nur Betriebe mit maximal fünf Mitarbeitern von der Nachweispflicht befreit.

Große Unternehmen

Die größten Verlierer der Neuregelung wären große Familienunternehmen, denn diese müssen unter Umständen mit erheblichen Steuerbelastungen rechnen. Bisher war beim Erbschaftsrecht die Höhe des Betriebsvermögens nicht von Bedeutung, doch künftig soll es bei einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro eine Bedürfnisprüfung geben. Nur wenn der Erbe nachweisen kann, dass ihn die Zahlung der Steuer finanziell überfordern würde, kann er mit Steuervorteilen rechnen. Bei dieser Prüfung muss der Erbe auch sein Privatvermögen offenlegen, welches zur Hälfte für die Zahlung der Erbschaftsteuer herangezogen werden kann. Sollte der Erbe wollen, dass sein Privatvermögen privat bleibt, steht ihm als alternatives Verschonungskonzept das Abschmelzmodell zur Verfügung. Der Verschonungsabschlag hängt bei dieser Variante von der Größe des Unternehmensvermögens ab und sinkt mit steigendem Unternehmensvermögen stufenweise bis auf null ab. Wenn das geerbte Betriebsvermögen bei über 90 Millionen Euro liegt, wird es keine Steuernachlässe mehr geben.

Realistischer Unternehmenswert

Zudem soll es laut dem Gesetzesentwurf vom Bundestag eine neue Berechnung für das vereinfachte Ertragswertverfahren geben, um so Überbewertungen von Unternehmen aufgrund der niedrigen Zinsen zu vermeiden. Aktuell wird der Firmenwert durch die Multiplikation des Gewinns mit dem Kapitalisierungsfaktor von 17,86 berechnet. Künftig soll der Faktor auf 10 bis maximal 12,5 abgesenkt werden.

Abgelaufene Frist für Neuregelung sorgt für Rechtsunsicherheit

Aktuell herrscht große Unsicherheit, unter welchen steuerlichen Bedingungen Unternehmen seit dem 1. Juli 2016 verschenkt oder vererbt werden. Gelten die bisherigen Betriebsvermögensbegünstigungen auch weiterhin oder wird es eine Verschärfung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes geben? Fakt ist nur, dass sich kein Unternehmen mehr auf die Gültigkeit der bisherigen Verschonungsregeln für Betriebsvermögen verlassen kann, denn die verspätete Neuregelung könnte rückwirkend zum 01.07.2016 in Kraft treten. Das heißt, Übertragungen, die zwischen dem 01.07.2016 und der Verabschiedung der Erbschaftssteuerreform vollzogen werden, fallen unter das neue Gesetz. Da der Gesetzentwurf nun erst den Vermittlungsausschuss passieren muss, wird es voraussichtlich bis Herbst keine Rechtssicherheit bei der Unternehmensnachfolge geben. Inzwischen hat allerdings das Verfassungsgericht verkündet, nicht mehr länger abzuwarten. Ende September wird sich der Erste Senat erneut mit der Erbschaftsteuer befassen. Dies könnte zur Folge haben, dass das Gericht eine Übergangsregelung verordnet, sodass die alten Regeln nur noch mit starken Einschränkungen gelten. Dies wäre ein großer Nachteil für Erben von Betriebsvermögen. Oder das Gericht entscheidet, dass die alten Regeln nicht mehr anwendbar sind. In diesem Fall könnte keine Erbschaftssteuer mehr erhoben werden, bis sich Bund und Länder auf ein neues Gesetz einigen. Wie genau das neue Gesetz dann aussehen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Höchstwahrscheinlich wird es aber zu einer höheren Steuerbelastung und größerem Erklärungsaufwand für Erben von Unternehmen kommen.

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